Ich habe meinen Frieden mit Jeanshosen geschlossen

22.01.2021 Mode, box3, Kolumne

„I’m never wearing Jeans ever again“ verkündete die Redakteurin Annemarie Dooling im Jahr 2017 und verabschiedete sich in aller Öffentlichkeit ein für alle Mal von den Hosen aus Denim. Bis vor einem Jahr hätte ich dieser Aussage energisch mit dem Kopf nickend zugestimmt, hatte doch auch ich mich einst dazu entschieden, meine Exemplare, in die ich mich über all die Jahre in „Shakira-Whenever-Wherever“-Manier hineingeschlängelt hatte, loszuwerden und mir somit selbst ein Stückchen mehr Freiheit zu verschaffen. Dass ich ausgerechnet im Jahr der Pandemie — dem Zeitraum, in dem sämtliche Menschen das Ende der Jeans heraufbeschworen haben — lernte, das Kleidungsstück zu lieben, hätte ich zuvor ja selbst nicht geglaubt. Und doch blicke ich wahrhaftig (und noch immer ein wenig verwundert) auf das Ende einer jahrelangen Odyssee. 

Nun gut, anfänglich gab es ja durchaus eine Zeit, in der ich Jeanshosen gar nicht mal so übel fand: Damals war ich etwa vier Jahre alt und hatte den Vorteil, dass alle Hosen mit einem zarten Gummibund ausgestattet waren. Meine anfängliche Sympathie änderte sich jedoch schlagartig an jenem Tag, an dem ich zu alt für Jeans mit Stretchbündchen wurde. Ganz plötzlich war auch ich harten Metallknöpfen, klemmenden Reißverschlüssen und steifen Stoffen ausgeliefert und verzweifelte bereits im jungen Alter an so manch einer Shoppingtour: Während meine Mutter genervt vor der Umkleidekabine stand, watete ich noch genervter auf einem Quadratmeter durch ein Meer voller Jeans, die — komme, was wolle — einfach nicht sitzen wollten. Fand ich doch mal ein Paar, das irgendwie okay war, fiel es spätestens durch den „Sitztest“, den mir meine Mutter stets auferlegte, durch. Fortan zählte der Jeanshosenkauf also zu einer meiner verhasstesten Freizeitaktivitäten. Aufgeben wollte ich so schnell aber trotzdem nicht, immerhin, so hatte ich es mir längst abgeschaut, zählten Jeans zum täglichen Repertoire all der coolen Mädchen und Frauen, die in den Zeitschriften um die Wette strahlten und ihre perfekten Levis-Hintern gen Kamera drehten — für dieses Glück nahm ich in den kommenden Jahren sogar dramatische Tränenausbrüche in schlecht ausgeleuchteten Umkleidekabinen hin.

Die Ära der Skinny Jeans

Die zweite Stufe meiner Misere erreichte ich im zarten Teenageralter, als ich völlig erschüttert lernte, meine Körperform käme einer Birne gleich. Ungläubig hielt ich das Magazin mitsamt den gezeichneten Veranschaulichungen in der Hand, verfluchte meinen Körper und schwor mir, Birnen fortan keine Beachtung mehr zu schenken. Die nächsten Wochen träumte ich stattdessen von lang gezogenen Spaghettiformen (noch immer glaubte ich, der „Heroin Chic“ der 90er-Jahre sei the shit), nicht existenten Hüften und möglichst flachen Hinterteilen — meine unverhoffte Retterin in der Not: Avril Lavigne. Die kanadische Sängerin half mir nämlich nicht bloß dabei, mir meinen pubertären Schmerz von der Seele zu singen (ich jaulte regelmäßig zu „I’m with you“), sondern erinnerte mich auch daran, dass Jeans keineswegs hauteng sitzen müssen. Wirklich „cool“ seien sie nämlich erst dann, wenn sie möglichst weit und möglichst tief sitzen würden — Good save the Sk8tergirl!

Weil man ja aber leider älter wird und sich insbesondere als Teenagerin oftmals schlecht vor äußeren Einflüssen und Gruppenzwängen schützen kann, fand ich mich bald eingequetscht in angesagten Skinny Jeans wieder, bloß um es zunächst meinen übercoolen Emo-Freund*innen, später dann auch meinen Klassenkameradinnen gleichzutun. Möglichst eng sollten sie sein, Falten waren tabu und war der Stoff mal wieder ein wenig ausgeleiert, musste die Waschmaschine oder aber die Badewanne her. Trotz reichlich Stretch wurde das tägliche Jeans-Anziehen zum Ausdauersport, ich hüpfte — mal auf einem, dann auf zwei Beinen — auf der Stelle und verlor eines Tages das Gleichgewicht, fiel unelegant um und schwor mir: Adios, Adieu, das wars mit uns. Ich trennte mich, zog wild entschlossen einen Schlussstrich und warf die quälend engen Jeans aus dem Haus. Fortan wurde ich eine dieser Personen, die sowohl bei klirrender Kälte als auch an heißen Sommertagen in Rock und Kleid herumlief und meinen alten Hosen keine Träne nachweinte.

Der Schlüssel zum Glück: Motivierendes Zureden & einhundertundelf Jeanshosen

Bis … nun ja, bis ich nach einigen Jahren eben doch mal wieder ein wenig neugierig wurde. Es war keineswegs eine Reunion im großen Stil, vielmehr war es ein zaghafter Versuch der Annäherung — ein wenig wie damals bei den Spice Girls, die ihr Comeback stets ohne Victoria Beckham verkündeten. In meinem Fall war das fehlende Glied jedoch weniger „posh“, denn so eine Jeanshose ist ja nun einmal meist von eher praktischer Natur. Und doch glaubte ich, mich dank diverser Stoffhosen, an die ich mich in den vergangenen Monaten herangetraut hatte, noch einmal an das Projekt „Jeanshose“ wagen zu wollen. Es folgten: Fehlversuche (viele), motivierendes Zureden und etwa einhundertundelf verschiedene Jeans, die ich anprobierte, verfluchte und verwarf. Und dann: der große Durchbruch.

Irgendwann im vergangenen Jahr, ich konnte es selbst kaum fassen, zog ich sie an, die für mich perfekte Jeans aus hellblauem Stoff. Sie glitt — trotz 0,0 Prozent Elastan — einfach über meine Beine, blieb nirgends hängen (nicht einmal an den Hüften oder am Po) und stand an der Taille dennoch keine drei Meter ab. Mensch Meier, dachte ich da, Katja Ebstein sollte am Ende also doch recht behalten: „Wunder gibt es immer wieder“ und heute zählt sogar eine passende Jeans dazu.
Mittlerweile also habe ich ihn geschlossen, meinen ganz persönlichen Frieden mit Jeanshosen und dabei verstanden: Es gibt sie wirklich, die eine Jeans, die perfekt zu uns passt — man muss sie eben bloß finden. Was das kostet? Reichlich Geduld, Nerven und Durchhaltevermögen. 

 
 
 
 
 
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Jeans: Eytys (Benz, unisex)

Ich habe meinen Frieden mit Jeanshosen geschlossen

  1. Semra

    OMG! Das ist sooo verrückt aber ich hatte heute 22.01.21 meinen JeansTag und habe ebenfalls meinen Frieden mit Jeans gefunden- und auch mit dem Hintergrund: 2020 war das Jahr
    von Corona, Lockdown, HomeOffice und für mich besonders die Geburt meiner Tochter, Wochenbett, Elternzeit,Mutterschutz und sehr viel daheim sein aber nicht nur in Sweatpants abschimmeln sondern endlich wieder, nach Jahren der Jeansverweigerung, Jeans gebührend feiern. Okay, ich habe mich gefühlt durch 10 neue Jeans dieses Jahr geshoppt, aber es war
    es wert, zumal ENDLICH wieder real raw Denim auf den Märkten Secondhand Shops und Ebay KAs zu finden war.
    Danke für den Artikel- Liebe euch eh!!!
    ‍♀️
    Semra @westvintage__

    Antworten

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